Unterbewusstsein und Superbewusstsein
- Florian Stotz

- 27. Aug.
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Nov.
Eine Einführung in Trance, Hypnose, alltägliches Bewusstsein, Unterbewusstsein und Superbewusstsein.
Während einer sternenklaren Nacht sitze ich im Zazen. Das Zen stammt ursprünglich aus Japan und Zazen bedeutet so viel wie „Stilles sitzen“. In einem Moment des tiefen Friedens und der Gedankenstille wird alles um mich herum trotz geschlossener Augen gleißend weiß. Es entsteht dabei ein Moment indem ich Körper, Gefühle und Geist als Dimensionen erkenne, die von meiner Seele erfahren werden. Zum ersten Mal konnte ich erfahren was ein Moment des Zen (auch: Samadhi, Satori) bedeutet. Im Gegensatz zu meinen Erfahrungen mit dem Unterbewusstsein, einem Ort indem Du mit geeigneten Mittel bedeutende Veränderungen im Leben erzielen kannst, ist das Satori ein Zustand wie ein Bewusstseinssprung ist.
Eine kurze Erwähnung der drei Dimensionen Körper, Gefühle und Geist
Im einleitenden Text habe ich drei Dimensionen des Menschseins erwähnt, welche jedem Menschen innewohnen: Körper, Gefühle und Geist. In einigen Schriften des Ostens wird anstatt des Wortes „Gefühle“ von einem „Astralkörper“ gesprochen, indem Emotionen und Gefühle zu Hause sind. Der Körper ist in der Regel die Dimension, die jeder Mensch kennt und körperliche Empfindungen beinhaltet. Die große Gefahr den Körper als die einzige Dimension des Menschseins zu verkennen, findet sich in vielen westlichen Lehren wieder. Für einige Menschen gilt die Haltung: Solange etwas durch die westliche Wissenschaft noch nicht bestätigt wurde, darf es auch nicht wahr sein. Damit ist aus der Perspektive des dieser Menschen das Yoga in sich selbst nutzlos. Das Yoga lehrt Wissen, welches rein auf Basis von Erfahrung als Wahrheit erkannt werden kann. Die wissenschaftlichen Hilfsmittel des 21 Jahrhunderts reichen bisher für eine vollständig wissenschaftliche Überprüfung des Yoga nicht aus. In den östlichen Lehren ist es stattdessen selbstverständlich von weiteren, höheren Dimensionen zu sprechen, weil dieses Wissen auf Basis von Erfahrungen von Generation zu Generation sorgfältig weitergereicht worden ist.
Der Astralkörper und der Geist, auch als Mentalkörper bezeichnet, wurden in einigen östlichen Lehren intensiv theoretisch und praktisch studiert. Im Austausch mit vielen Menschen unserer Kultur habe ich mitbekommen, dass viele unter Yoga die rein körperlichen Ausführungen verstehen. Weit gefehlt, wenn wir einen Hechtsprung in die indischen Schriften des Yoga machen.
Dein Geist und seine inneren Bewegungen
Im indischen Raum trägt der Geist den übersetzten Namen „Citta“. Innerhalb unseres Geistes gibt es die unterschiedlichsten Gedanken, welche beispielsweise die Form von Bildern und inneren Stimmen annehmen können. In einem klassischen Yoga-Sutra – einem Leitsatz aus dem Yoga – werden sogenannte "Citta-Vrittis" thematisiert. Das sind wortwörtlich übersetzt die "Bewegungen im Geist". Es gibt insgesamt fünf Bewegungen die im Geist existieren:
Pramana (Echtes Wissen)
Viparyaya (Falsches Wissen)
Vikalpa (Imagination)
Nidra (Träume)
Smriti (Erinnerung)
Ein Yogi (auch: praktizierender des Yoga) hat das Ziel diese fünf Modifikationen des Geistes zu beruhigen, um ein reines Bewusstsein zu erreichen. Pramana ist wahres Wissen, dass auf bewusster Wahrnehmung Deines Bewusstseins beruht. Viparyaya ist falsches Wissen, beispielsweise wenn Du wütend bist und andere Menschen in dieser Welt als wütend wahrnimmst, obwohl Du derjenige bist, der gerade wütend ist. Vikalpa ist die Imagination, unter der zum Beispiel das Tagträumen gezählt wird. Nidra bezieht sich auf die Träume, welche Du während dem Schlaf haben kannst. Zuletzt sind Smriti die Erinnerungen, die Du in Deinem Leben gesammelt und im Gedächtnis hinterlegt hast.
Das Unterbewusstsein und seine tiefgreifenden Kräfte
Einer der größten Pioniere in Bezug auf die Erforschung des Unterbewusstseins und der Hypnose ist Milton H. Erickson. Er vertritt die Auffassung, dass das Unterbewusstsein ein Freund ist, der Dich in Deinem Leben beschützt und Dir ein bestmögliches Leben ermöglichen möchte. Immer wieder betonte Milton H. Erickson die tiefgreifende Kraft des Unterbewusstseins und die Tatsache, dass Lernen in Trance oft einfacher, schneller und nachhaltiger geschieht. Das Wort "Trance" kann übersetzt werden mit "veränderter Bewusstseinszustand". In Trance ist Deine Aufmerksamkeit stark auf bestimmte innere oder äußere Erlebnisse fokussiert, während andere Reize in den Hintergrund rücken und sogar ausgeblendet werden können. Trance ist ein Zustand zwischen Wachheit und Schlaf, zwischen Kontrolle und Loslassen, zwischen bewusstem Denken und unbewussten Prozessen.
Im Prozess der Hypnose wird Deine sogenannte kritische Instanz des alltäglichen Bewusstseins langsam außer Kraft gesetzt und der Zugang zu Deinem Unterbewusstsein wird größer. Auf das Unterbewusstsein abgestimmte Suggestionen und Metaphern werden im Prozess der Hypnose, ein geeigneter Trancezustand vorausgesetzt, zu positiven Veränderungen in Deinem Leben führen. Scheinbar ohne bewusstes Zutun leitet Dein Unterbewusstsein im Alltag Prozesse ein, von denen Du meinst, dass Du selbst bewusst entschieden hättest diese Veränderungen einzuleiten. Die Veränderungen geschehen allerdings primär auf Basis der Suggestionen, die Dir im Prozess der Hypnose gegeben worden sind.
Dein Unbewusstes orientiert sich beispielsweise an dem besten Zustand, den Du je im Leben erlebt hast und strebt danach, diesen Zustand als neue Normalität in Deinem Alltag zu leben. Hypnose leitet sich vom griechischen Wort hypnos (für: Schlaf) ab. Der Begriff wurde im 19. Jahrhundert von James Braid geprägt, der zunächst annahm, es handle sich um eine Form des künstlichen Schlafs. Heute verstehen wir Hypnose als einen prozesshaften Zugang zu Trance, also veränderten Bewusstseinszuständen, die durch Suggestionen, Fokus und Entspannung ausgelöst werden können. Damit ist Hypnose der Prozess, durch den Trancezustände gezielt induziert (auch: hervorgerufen) werden.
Einige Hypnotiseure und Forscher sind der Überzeugung, dass je tiefer ein Trancezustand ist, desto größer die Veränderungen bei gegebenen Suggestionen sein können. Milton H. Erickson selbst vertrat die Haltung, dass jede Trance individuell ist und die Relevanz und Anpassung der Suggestionen für den Klienten entscheidender ist als die Tiefe der Trance. Viele der interventionellen Geschichten und Metaphern von Milton H. Erickson wirken subtil, gerade weil sie in leichter Trance zugänglich bleiben und das Bewusstsein "mitdenken" kann, ohne sich zu wehren. Entgegen der weitläufigen Meinung, dass Milton H. Erickson sich überwiegend der Geschichten und Metaphern bedient hätte, berichten seine Kollegen davon, dass dies maximal 20% seiner Arbeit ausgemacht hat. Milton H. Erickson sagte zum Thema des Trancezustands: "Trance ist kein künstlicher Zustand. Menschen sind ständig in verschiedenen Bewusstseinszuständen, man muss sie nur nutzen. Es kommt nicht darauf an, wie tief jemand in Trance ist. Es kommt darauf an, was er in der Trance erleben kann".
Milton H. Ericksons Vertrauen in das Unbewusste zeigt sich auch in einem seiner zentralen Zitate. In meiner sinngemäßen Übersetzung lautet es: „Ich vertraue immer meinem Unterbewusstsein. Zu viele Psychotherapeuten versuchen zu planen, was sie tun werden, anstatt abzuwarten was der Stimulus ist den sie erhalten, und dann ihr Unterbewusstsein auf diesen Stimulus reagieren zu lassen. Ich versuche meine Psychotherapie auf vage allgemeine Weise zu strukturieren. Und auf diese vage allgemeine Weise strukturiert der Patient sie ebenfalls. Er strukturiert sie gemäß seiner eigenen Bedürfnissen. Und die lockere Struktur die ich erschaffe, erlaubt ihm Stück für Stück einige der Dinge zu entdecken, die er verdrängt hat und über die er sich selbst nicht bewusst ist. Es gibt viele Dinge die wir wissen, dass wir sie nicht wissen, aber wir müssen wissen, dass wir es wissen. Du vertraust einfach Deinem Unterbewusstsein jetzt.“
Das Satori und seine transzendenten Kräfte
Während im Westen das Konzept des Unterbewusstseins längst etabliert worden ist und Hypnose zunehmend an Bedeutung gewinnt, bleibt ein anderer Bewusstseinszustand weitestgehend im Verborgenen: Das Satori. In manchen Kulturen wird auch von Superbewusstsein oder Samadhi gesprochen. Mit meiner Arbeit möchte ich dazu beitragen, dass mehr Menschen den Zustand des Zen erfahren, und sich der innewohnenden Kraft dieses Zustands bedienen können. Im Zustand des Zen sind höchste Einsichten, intuitive Erkenntnisse und tiefer Friede einige Elemente welchen diese Zustand auszeichnen.
An dieser Stelle möchte ich Dir den Zustand des Zen durch ein kurzes Erlebnis aus meinem Leben näher bringen. Nachdem ich einmal einen Artikel geschrieben habe, blickte ich aus dem Fenster meines Arbeitszimmers. Ich nahm den hellblauen Himmel wahr, die weiß gewölbten Wolken und Vögel die durch die hohen Lüfte schwingten. Eine tiefe Ehrfurcht ergriff mich bei diesem Spektakel und führte in einen Zustand des reinen Seins. Durch die Schönheit dieses Spektakels kamen mir viele Tränen, aufströmend aus dem damit verbundenen innerer Frieden heraus. Das ist unter anderem was Zen-Meister Dōgen als Zen-Praxis bezeichnet. Wenn Du glaubst, dass das Unterbewusstsein schon mächtig ist, wirst Du das Superbewusstsein als unerklärliche Macht reinen Seins erfahren und wahrnehmen.
Im klassischen Yoga – insbesondere in den Yoga-Sutras nach Patanjali – wird ein klarer Pfad beschrieben, der zum Superbewusstsein führt. Dieser Pfad besteht aus drei aufeinander aufbauenden Stufen:
Dharana (Konzentration)
Dhyana (Meditation)
Samadhi (Tiefe Versenkung)
Dharana (Konzentration) bedeutet, den Geist auf ein einziges Objekt auszurichten, z. B. eine Pflanze, während manchmal andere Gedanken auftauchen. Anbei eine praktische Übung: Wähle ein Objekt, etwa eine Pflanze, und richte Deine Aufmerksamkeit mit Deiner Willenskraft fünf Minuten lang ausschließlich auf die Pflanze. Wann immer Gedanken Dich ablenken wollen, bringe Deine Aufmerksamkeit mit Deiner Willenskraft wieder sanft zur Pflanze zurück. Deine Willenskraft ist jene Fähigkeit, mit der Du Dich dazu entscheidest, Deine Aufmerksamkeit auf das Objekt zu richten. Ich erwähne das explizit, weil manche Menschen der Aufassung wären, man könnte unbestimmte Hauptwörter nicht explizit erklären. Damit ist diese stillschweigende Generalisierung an dieser Stelle mit einem Gegenbeispiel zum Einsturz gebracht worden.
Wenn es Dir gelingt das Objekt wie beispielsweise eine Pflanze, fünf Minuten lang ohne jegliche Gedanken zu betrachten, befindest Du Dich im Zustand von Dhyana (Meditation). Die Gedankenaktivität ist stillgelegt und Du gehst in Resonanz mit dem Objekt. Im Superbewusstsein verschwindet die Trennung zwischen „Du“ und „Objekt“. Es bleibt nur Essenz, reines Gewahrsein. Samadhi ist ein transzendenter Zustand, in dem sich das „Ich“ bzw. "Ego" auflöst und die Seele erfahrbar wird. Es gibt dabei verschiedene Stufen des Samadhi, von denen einige tiefer, subtiler und transformierender sind als andere. Das höchste Samadhi zu erreichen ist der ultimative Zustand, den jeder Yogi anstrebt.
Für mich ist Ramana Maharshi einer der bedeutendsten Pioniere, welcher unsere moderne Welt auf das Samadhi noch mehr aufmerksam gemacht hat. Ein übersetztes Zitat von ihm lautet: „Der Zustand, in dem die ununterbrochene Erfahrung von Existenz‑Bewusstsein durch den stillen Geist erlangt wird, ist Samadhi. Jener stille Geist, der mit dem Erreichen des grenzenlosen höchsten Selbst geschmückt ist, verkörpert die Wirklichkeit Gottes“. Ramana Maharshi betonte damals, dass das Samadhi ein natürlicher Zustand eines jeden Menschen ist. Selbsterforschung, wie beispielsweise im Zazen, ist laut ihm die effizienteste Methode zur Entdeckung der Irrealität des Ich-Gedankens.
Vor kurzer Zeit erinnerte ich mich an einen Moment, an dem ich als Baby auf dem alten Teppich meiner Oma krabbelte. Zu meiner rechten Seite war ein Holzschrank an dem ich versuchte mich aufzustützen um stehen zu können. Ich scheiterte oft aber versuchte es immer wieder, bis ich mich eines Tages am Holzschrank festhielt und stehen konnte. Als heutiger Erwachsener ist die bewusste Erinnerung dieses vergangenene Moments mit einem Zustand des Tuns ohne jegliche Gedanken verbunden. Die Kraft der Erinnerung ermöglicht es, älte Zustand wieder im Moment wie neu zu erleben. Damit beinhalten Erinnerungen auch den damaligen Zustand der als Ressource im Hier und Jetzt genutzt werden kann, wenn diese Erinnerung wieder bewusst abgerufen wird. Worauf ich eigentlich hinaus will ist allerdings die folgende Frage: "Wer warst Du als Baby?". Mit Sicherheit nicht die Identiät die Du heute hast. Und sehr wahrscheinlich wird Deine jetzige Idenität in wenigen Jahren eine neue sein, bis auf Identifikationen an denen man festhält, wie der eigenen Lebensgeschichte. Damit ist bewiesen, dass die Identität etwas veränderbares ist und nicht die Essenz, die in uns eigentlich innewohnt. Alles was vergänglich ist, kann nicht unser wahres Sein repräsentieren, sondern lediglich die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen die im Laufe des Lebens durch die Lebensgeschichte erlebt worden sind.
Wir halten an diesem Punkt fest, dass das Superbewusstsein ein transzendenter Zustand reinen Gewahrseins ist, der jenseits der gewöhnlichen mentalen Aktivitäten liegt. Im Zustand des Superbewusstseins befindest Du Dich in vollständiger Harmonie. Einer der Nachhalleffekte nach dem Zustand des Superbewusstseins ist, dass alte Themen aus Deinem Unterbewusstsein strömen und sich selbstständig auflösen. Ein möglicher Erklärungsansatz von mir wäre, dass die alten Themen der starken Energie des Superbewusstseins nicht mehr standhalten konnten und dadurch aufgelöst werden. Das Superbewusstsein ist ein Zustand, in dem Ich-Bewusstsein verschwindet und für die Seele die Essenz des Seins erfahrbar wird. In den Yoga-Sutras wird außerdem nicht nur ein Samadhi, sondern eine Vielzahl differenzierter Samadhi-Stufen beschrieben. Hier eine vereinfachte Übersicht, vom niedrigsten bis zum höchsten erreichbaren Samadhi:
Samprajnata-Vitarka (Savitarka und Nirvitarka)
Asamprajnata
Samprajnata-Vicara (Savicara und Nirvicara)
Asamprajnata
Samprajnata-Sananda
Asamprajnata
Samprajnata-Sasmita
Nirbija Samadhi
Dharma-Megha-Samadhi
Auf jedes einzelne Samadhi jetzt einzugehen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Wie Du allerdings sehen kannst, gibt es nicht ein Samadhi, sondern mehrere Samadhis. Diese Veranschaulichung dient vor allem dazu, sich mit wahrer Spiritualität zu beschäftigen, und keiner toten Esoterik zu bedienen. Wenn Du mehr zu den Yoga-Sutras erfahren möchtest, kann ich Dir das Buch von Taimni – The Science of Yoga ans Herz legen.
Auch jenseits von Yoga und Meditation befinden wir Menschen uns täglich in wechselnden Trancezuständen, wie zum Beispiel:
Wenn Du mit Deinen liebsten Menschen gemeinsam Zeit verbringst
Wenn Du in Deine Arbeit vertieft bist
Wenn Du in einer Sternennacht mit Freunden an einem knisternden Lagerfeuer sitzt
Wenn Du Tagträume hast oder Musik hörst
Unser Bewusstsein ist nicht statisch, es wandelt sich ständig. Und genau darin liegt auch ein Schlüssel zur Veränderung. Der Mensch und seine Bewusstseinszustände sind ein spannendes Phänomen. Aus meiner Perspektive lohnt es sich für jeden Menschen eine große Auswahl an Bewusstseinszuständen zu haben und bewusst generieren zu können. Wer die meisten Bewusstseinszustände zur Verfügung hat, besitzt eine größere Flexibilität im Leben. In meinen Trainings und Workshops lernst Du unterschiedliche Bewusstseinszustände hervorzurufen und gezielt in Deinem Leben anzuwenden. Mit diesen Worten schließen wir das Thema der Bewusstseinszustände für heute ab.
Danke für Deine Zeit und bis bald,
Dein Florian 🌈



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